Pauschale Annahme eines Einkommens bei der Zurechnung fiktiver Einkünfte unzulässig!

Die Zurechnung fiktiver Einkünfte beim gesteigert Unterhaltspflichtigen ist zurzeit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Dauerbrenner! Es gibt schon wieder drei neue Urteile des Bundesverfassungsgerichts dazu (in FamRB 09/20012, S. 266). In allen drei Fällen ging es um unterhaltspflichtige Väter, die zur Zahlung des Mindestunterhalts für ihre minderjährigen Kinder verpflichtet worden sind. Die damit befassten unteren Gerichte haben dabei, weil die Väter nicht ausreichend dargelegt haben, sich um eine Arbeitsstelle zu bemühen, den Vätern fiktive Einkünfte zugerechnet.

In einem Fall stammte der Vater aus Ghana und lebte seit geraumer Zeit in Deutschland, ohne jedoch deutsch zu sprechen. Er arbeitete als Küchenhelfer und verdiente hierbei rund 1.027,00 € netto im Monat. Hiervon zahlte er 125,00 € Unterhalt. Im zweiten Fall handelte es sich um einen Betonfacharbeiter mit 50 % Schwerbehinderung. Er lebte von SGB II. Der dritte Fall drehte sich ebenfalls um einen körperlich behinderten Vater, der wegen eines zurückgebliebenen Arms von SGB II lebte. Er hatte keine Berufsausbildung. In allen drei Fällen hatten die Gerichte den unterhaltspflichtigen Vätern fiktives Einkommen zugerechnet, weil sie nicht ausreichend dargelegt hatten, alles Zumutbare zu tun, um eine Arbeit zu finden bzw. eine besser bezahlte Arbeit zu finden. Hiergegen legte alle drei Väter Verfassungsbeschwerde ein und hatten alle drei Erfolg.

Das Bundesverfassungsgericht ist der Auffassung, dass es nicht zu beanstanden sei, fiktiv erzielbare Einkünfte beim Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen, wenn dieser eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese „bei gutem Willen“ ausüben könne. Denn aus Art. 6 Abs. 2 GG folgt die Verpflichtung der Eltern zum Einsatz ihrer eigenen Arbeitskraft, um die Unterhaltspflicht gegenüber ihren Kindern zu erfüllen. Es müsse aber feststehen, dass die fiktiv zugerechneten Einkünfte überhaupt erzielbar seien, was von persönlichen Voraussetzungen wie Alter, beruflicher Qualifikation, Erwerbsbiografie und Gesundheitszustand sowie dem Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen abhänge. Die pauschale Annahme eines bestimmten Einkommens sei unzulässig!

In den drei beschriebenen Fällen hatten die unteren Gerichte jeweils nicht festgestellt, welches Einkommen realistischerweise von den jeweiligen Unterhaltsschuldnern erzielbar wäre bzw. ob sie überhaupt die Möglichkeit hätten, ein über dem Selbstbehalt liegendes Einkommen zu erzielen. Ihre Verurteilung zur vollen Unterhaltszahlung war deshalb rechtswidrig.