Ausbildungsunterhalt auch nach der Schwangerschaft

Die Unterhaltsberechtigte verliert ihren Anspruch auf Ausbildungsunterhalt gegen ihre Eltern nicht, wenn sich ihre Ausbildung infolge einer Schwangerschaft und der anschließenden Kinderbetreuung verzögert.

Sachverhalt: Nach dem Abitur machte die Klägerin ein freiwilliges soziales Jahr bis Juli 2002. Im Januar 2003 gebar sie anschließend ein Kind, dass sie bis September 2006 betreute. Im Oktober 2006 nahm sie das Studium der Sozialpädagogik auf, welches sie im August 2009 abschloss. Die nicht verheiratete Klägerin erhält vom Vater des Kindes keinen Unterhalt. Ihren Antrag auf Ausbildungsunterhalt lehnte das BAföG Amt im Hinblick auf das Einkommen der Eltern der Klägerin ab.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin Ausbildungsunterhalt von ihren Eltern, den Beklagten. Mit Erfolg.

Gemäß § 1610 II BGB umfasst der Unterhalt den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf.

Die Unterhaltsberechtigte hat einen Anspruch auf Finanzierung einer angemessenen, ihrer Begabung und Neigung entsprechenden Berufsausbildung. Neben ihrem Anspruch auf Ausbildungsunterhalt trifft sie aber auch die Obliegenheit, diese mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden. Kleine Verzögerungen, die auf ein vorübergehendes leichteres Versagen zurückzuführen sind, müssen die unterhaltspflichtigen Eltern hinnehmen. Weiterhin muss die Unterhaltsberechtigte die Ausbildung auch in angemessener Zeit aufnehmen. Sie muss auf die Belange der Unterhaltspflichtigen Rücksicht nehmen und sich in angemessener Zeit darüber klar werden, welche Ausbildungsmöglichkeiten ihm nach seinem jeweiligen Schulabschluss zur Verfügung stehen. Dazu muss sie sich um einen entsprechenden Ausbildungsplatz bemühen und die Ausbildung zielstrebig angehen.

Allerdings gibt es keine feste Altersgrenze für die Aufnahme einer Ausbildung, ab deren Erreichen der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt entfällt. In jedem Fall ist jungen Menschen eine gewisse Orientierungsphase zuzugestehen, deren Dauer sich nach den Umständen des Einzelfalls, dem Alter, Entwicklungsstand und den gesamten Lebensumständen des Auszubildenden richtet.

Verzögert sich der Ausbildungsbeginn infolge einer Schwangerschaft der Unterhaltsberechtigten und der anschließenden Kinderbetreuung, so ist das grundsätzlich hinnehmbar, wenn die Unterhaltsberechtigte ihre Ausbildung nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes – gegebenenfalls unter zusätzlicher Berücksichtigung einer angemessenen Übergangszeit – aufnimmt. Dem erziehungsberechtigten Elternteil muss es möglich sein, in den ersten drei Lebensjahren des Kindes die Pflege und Erziehung des Kindes sicherzustellen, ohne daran durch eine eigene Erwerbstätigkeit gehindert zu sein.

Verletzt die Unterhaltsberechtigte ihre Obliegenheit ihre Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen nachhaltig, büßt sie ihren Unterhaltsanspruch jedoch ein und muss sich darauf verweisen lassen, ihren Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, denn finanzielle Inanspruchnahme muss für die Eltern ebenfalls überschaubar sein.

(Entscheidung vereinfacht nach BGH Urteil vom29.06.2011)