Außerordentliche fristlose Kündigung wegen Beleidigung

Im 1. Fall entschied das Amtsgericht München, dass die Beleidigung des Vermieters („Halt die Fresse“) eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertige.

AG München, Urteil vom 13. Januar 2022 – 473 C 9473/21

Die Mieter lebten in einer Fünfzimmerwohnung in München. Der Vermieter bat die Mieter die Hausordnung einzuhalten, nachdem diese im Eingangsbereich Fahrräder abgestellt hatten. Einer der Bewohner beleidigte den Vermieter im Beisein anderer Hausbewohner mit den Worten „Wer bist du? Halt die Fresse!“ und berührte diesen am Oberkörper, so dass er ausweichen musste. Der Vermieter erstattete daraufhin Strafanzeige und kündigte das Mietverhältnis außerordentlich und fristlos. 

Das Amtsgericht gab dem Vermieter Recht. Die Zurechtweisung des Vermieters stelle eine Kundgabe der Nichtachtung und Missachtung dar, die den Vermieter auf eine unmenschliche Ebene herabwürdige. Dies rechtfertige, gegenüber dem pöbelnden Mieter die Erklärung einer außerordentlichen fristlosen Kündigung. 

Gemäß § 543 Abs. 1 BGB kann ein Mietverhältnis von beiden Vertragsparteien aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden kann. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen dem Kündigenden die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. 

Das Amtsgericht München sieht in der Zurechtweisung des Vermieters durch den Mieter mit der Wendung „Halt die Fresse!“ eine Nichtachtung und Missachtung, die den Vermieter auf eine unmenschliche Ebene herabwürdige. Bei einer Beleidigung des Vermieters komme erschwerend hinzu, dass die Beleidigung im Beisein von anderen Hausbewohnern erfolgte. Dies verleihe der Missachtung ein noch stärkeres Gewicht, da Beleidigungen umso schwerer wirkten, je mehr Menschen diese vernehmen könnten. Dies rechtfertige eine außerordentliche fristlose Kündigung des Vermieters. 

Auch sei eine Abmahnung vor der Kündigung nicht erforderlich gewesen, da durch eine schwere Beleidigung das für die Vertragserfüllung unerlässliche Vertrauen zerstört werde. Durch eine Abmahnung könne zerstörtes Vertrauen nicht wiederhergestellt werden.

Im 2. Fall entschied das Landgericht Berlin hingegen, dass es für eine Kündigung nicht ausreiche die Vermieterin als „Hexe“ zu bezeichnen. 

LG Berlin, Urteil vom 8. Februar 2022 – 63 S 146/20

Einer der Mieter tätigte folgende Äußerung über die Vermieterin gegenüber einem Handwerker: „Sie benimmt sich wie die böse Hexe im Märchenland und möchte uns aus ihrem schönen Schloss vertreiben.“

Das Landgericht Berlin hat die Bezeichnung der Vermieterin als „Hexe“ gegenüber einem Handwerker nicht als Kündigungsgrund gesehen, da es sich bei der Äußerung des Mieters lediglich um eine bildhafte Überspitzung handele und nicht ernst zu nehmen sei, weil der Handwerker weder hinsichtlich der Wohnung von einem schönen Schloss noch von der Vermieterin als böser Hexe hätte ausgehen müssen. 

Fazit:

Die Beleidigung des Vermieters als Kündigungsgrund ist immer einer Einzelfallbetrachtung zu unterziehen und erfordert die Würdigung der Gesamtsituation und lässt sich nicht allein am Wortlaut beurteilen.