Was sollten Vermieter über den sogenannten „Mietendeckel“ in Berlin wissen?

Das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen („Mietendeckel“) ist durch das Bundesverfassungsgericht am 25. März 2021 für verfassungswidrig erklärt worden: 

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21-028.html

Zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Begrenzung der Mietenhöhe hat das Land Berlin das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG) – auch „Mietendeckel“ genannt – erlassen.

Die Regelungen stellen Vermieter vor eine Vielzahl von Fragen und Herausforderungen im Umgang mit bestehenden Mietverträgen, aber auch bei bei der Neuvermietung. Dieser Beitrag soll einen ersten Überblick über die häufigsten Fragen geben:

1. Gilt der Mietendeckel für alle Wohnungen?

Grundsätzlich gilt der Mietendeckel für alle Wohnungen. Das Gesetz sieht das aber nicht ausnahmslos vor. Zu den wichtigsten Ausnahmen zählen:

  • Wohnungen des öffentlich geförderten Wohnungsbaus (Sozialwohnungen),
  • mit Mitteln aus öffentlichen Haushalten zur Modernisierung und Instandsetzung geförderte Wohnungen mit Mietpreisbindung,

und

  • Neubauwohnungen, die seit dem 01.01.2014 erstmals bezugsfertig wurden oder die aus ehemals dauerhaft unbewohnbaren und unbewohnten Wohnraum, mit einem dem Neubau entsprechenden Aufwand, für Wohnzwecke wiederhergestellt wurden.

2. Welche Zeitpunkte sind im Rahmen des Mietendeckels zu beachten und was gilt zu welchem Zeitpunkt?

a) Erste Phase vom Stichtag 18.06.2019 bis zum 22.11.2020 (Inkrafttreten von § 5 MietenWoG)

aa) Stichtag 18.06.2019 bis zum 23.02.2020

(1) Bestandsmietverträge

Wohnt ein Mieter am Stichtag 18.06.2019 in einer Wohnung und wohnt er am 23.02.2020 (Tag des Inkrafttretens des Gesetzes) immer noch in dieser Wohnung, wird die Miete auf dem Stand des 18.06.2019 „eingefroren“.

(2) Neuvermietung zwischen dem 18.06.2019 und dem 23.02.2020

Wenn zwischen dem 18.06.2019 und dem 23.02.2020 ein Wechsel des Mieters stattgefunden hat, wird die in dieser Zeit vereinbarte Miete „eingefroren“.

In beiden Fällen ist durch das Gesetz verboten, eine höhere Miete zu verlangen. Diese Regeln gelten auch für Staffel- oder Indexmieten, so dass auch hier die Miete auf dem Stand des 18.06.2019 „eingefroren“ wird.

bb) Nach dem 23.02.2020 neu abgeschlossene Mietverträge

Vor Abschluss eines neuen Mietvertrages hat der Vermieter dem Mieter unaufgefordert die zum Stichtag vereinbarte/geschuldete Miete schriftlich oder elektronisch mitzuteilen Auskunft über die zur Berechnung der Mietobergrenze maßgeblichen Umstände zu erteilen. Es gelten ab sofort die Mietobergrenzen der §§ 6 und 7 MietenWoG (diese werden ggf. alle zwei Jahre von der für Wohnungswesen zuständigen Senatsverwaltung fortgeschrieben) und zusätzlich weiterhin die Stichtagsmiete – der niedrigere der beiden Werte soll maßgeblich für die zulässige Neuvermietungsmiete sein.

cc) Was bedeutet das für den Vermieter?

Ab dem 23.02.2020 (Inkrafttreten des Gesetzes) dürfen von Vermietern keine höheren als die zum Stichtag (18.06.2019) wirksam vereinbarten Mieten von den Mietern gefordert oder entgegengenommen (Art. 1 § 11 Nr. 4 MietenWoG) werden, da ansonsten empfindliche Bußgelder drohen. Bei einem bestehenden Lastschrifteinzug muss der Vermieter von sich aus tätig werden und darf keine höhere als die am 18.06.2019 vereinbarte Miete (zzgl. ggf. Modernisierungszuschlag von max. 1,00 € näheres dazu später) mehr einziehen; auch bei Überweisungen von Mietern sollte auf die korrekte Höhe geachtet werden, da auch in diesem Fall eine höhere als die zulässige Miete nicht verlangt und entgegengenommen werden darf.

Hat der Mieter nach dem 23.02.2020 von sich aus eine höhere als die am 18.06.2019 vereinbarte Miete gezahlt (z.B. aufgrund von vorhergehenden einvernehmlichen Mieterhöhungen gemäß §§ 557, 558 BGB), ist er vermutlich berechtigt, diese zurückzufordern.

Ob für den Zeitraum vom 18.06.2019 bis 23.02.2020 überhöhte Mieten vom Mieter zurückgefordert werden können ist noch nicht abschließend geklärt.

Reguläre Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete sind für die Dauer der Geltung des Gesetzes bis zum 31.12.2021 nicht mehr möglich – dies gilt auch für Staffelmieten und Indexmieten.

Der Vermieter hat sämtlichen Mietern (mindestens denen, die unter a) fallen), unaufgefordert bis zum 23.04.2020 Auskunft über die zur Berechnung der Mietobergrenze maßgeblichen Umstände (Baujahr, Sammelheizung und/oder Bad, Wohnung in einem Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen, moderne Ausstattung i.S. des § 6 Absatz 3 MietenWoG, Modernisierungsmaßnahme i.S.d. § 7 MietenWoG nach dem 18.06.2019) zu erteilen, § 6 Absatz 4 MietenWoG. Nach der derzeitigen Einschätzung und dem Wortlaut des Gesetzes muss ein bestimmter Betrag in dieser Auskunft nicht benannt werden.

b) Zweite Phase ab dem 22.11.2020 (Inkrafttreten von § 5 MietenWoG)

Ab diesem Zeitpunkt (neun Monate nach der Verkündung des Gesetzes) sind überhöhte Mieten auch bei Bestandsmietverhältnissen verboten. Auf die „Stichtagsmiete“ kommt es dann auch nicht mehr an.

Eine überhöhte Miete in diesem Sinn liegt vor, wenn die unter Berücksichtigung der Wohnlage ermittelte Mietobergrenze gemäß §§ 6 und 7 MietenWoG um mehr als 20 % überschritten wird und nicht nach § 8 MietenWoG genehmigt ist (für Details siehe unten).

3. Wie hoch sind aktuell die Mietobergrenzen?

Eine Miete ist überhöht, wenn sie unter Berücksichtigung der Wohnlage mehr als 20 % über der maßgeblichen Mietobergrenze in der Mietentabelle liegt. Eine höhere Miete als diese ist verboten.

Nummer Erstmalige Bezugsfertigkeit derWohnung und Ausstattung Mietpreis proQuadratmeter
1. bis 1918 mit Sammelheizung und mit Bad 6,45 Euro
2. bis 1918 mit Sammelheizung oder mit Bad 5,00 Euro
3. bis 1918 ohne Sammelheizung und ohne Bad 3,92 Euro
4. 1919 bis 1949 mit Sammelheizung und mit Bad 6,27 Euro
5. 1919 bis 1949 mit Sammelheizung oder mit Bad 5,22 Euro
6. 1919 bis 1949 ohne Sammelheizung und ohne Bad 4,59 Euro
7. 1950 bis 1964 mit Sammelheizung und mit Bad 6,08 Euro
8. 1950 bis 1964 mit Sammelheizung oder mit Bad 5,62 Euro
9. 1965 bis 1972 mit Sammelheizung und mit Bad 5,95 Euro
10. 1973 bis 1990 mit Sammelheizung und mit Bad 6,04 Euro
11. 1991 bis 2002 mit Sammelheizung und mit Bad 8,13 Euro
12. 2003 bis 2013 mit Sammelheizung und mit Bad 9,80 Euro

Für Wohnungen in einfacher Wohnlage ist bei der Berechnung der Mietobergrenze ein Abschlag beim maßgeblichen Mietpreis in der Mietentabelle von 0,28 € zu berücksichtigen, für Wohnungen in mittlerer Wohnlage werden 0,09 € abgezogen und für Wohnungen in guter Wohnlage ist ein Zuschlag von 0,74 € zu berücksichtigen. Bis zu einer anderweitigen Bestimmung soll die Wohnlagenkarte des Berliner Mietspiegels 2019 zur Berechnung der Obergrenze heranzuziehen sein.

Die im Gesetz vorgesehene Mietentabelle legt fest, wie hoch die Nettokaltmiete in Abhängigkeit von Alter und Ausstattung einer Wohnung bei einer Wiedervermietung sein darf. Die Obergrenze kann sich bei einer Modernisierung maximal um 1 Euro/m² erhöhen. Für die Frage, ob eine überhöhte Miete vorliegt, sind die wohnlageabhängigen Ab- bzw. Zuschläge und ein pauschaler Aufschlag von 20 % zu berücksichtigen.

Für Wohnungen mit moderner Ausstattung erhöht sich der Wert um 1,00 €. Eine moderne Ausstattung liegt vor, wenn mindestens drei der folgenden Merkmale vorhanden sind:

  • schwellenlos erreichbarer Aufzug,
  • Einbauküche,
  • hochwertige Sanitärausstattung,
  • hochwertiger Bodenbelag in der überwiegenden Zahl der Wohnräume,
  • Energieverbrauchskennwert von weniger als 120 kWh/ (m² a).

Das Gesetz gilt zudem auch für Ein- und Zweifamilienhäuser. Liegt der Wohnraum in Gebäuden mit nicht mehr als zwei Wohnungen, erhöht sich jedoch die Mietobergrenze um einen Zuschlag von 10 %, bevor ggf. Zu-/oder Abschläge hinzukommen.

Ab dem 01.01.2022 erhöhen sich die gemäß Art. 1 § 3 Absatz 1 und 2 MietenWoG festgeschriebenen Höchstwerte jährlich um den Prozentsatz der seit dem Stichtag eingetretenen und durch das Statistische Bundesamt zum 31.12. des Vorjahres festgestellten Inflation, max jedoch um 1,3 % – Dies gilt jedoch nur, sofern durch die Erhöhung die Obergrenzen nach § 6 MietenWoG nicht überschritten werden

4. Was ist bei Modernisierungsmaßnahmen nach dem 18.06.2019 (§ 7 MietenWoG) zu beachten?

Modernisierungsbedingte Mieterhöhungen sind während der Geltungsdauer des Gesetzes nur bei Durchführung der folgenden Maßnahmen möglich:

  • Gesetzlich vorgeschriebene Maßnahmen
  • Wärmedämmung der Gebäudehülle, der Kellerdecke, der obersten Geschossdecke oder des Daches
  • Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien
  • Maßnahmen zur energetischen Fenstererneuerung
  • Heizanlagentausch mit Heizanlagenoptimierung
  • Aufzugsanbau
  • Abbau von Barrieren durch Schwellenbeseitigung, Türverbreiterung oder Badumbau

Es ist maximal eine Erhöhung um 1,00 €/qm möglich. Auch bei mehrfacher Modernisierung im Geltungszeitraum des Gesetzes darf sich die Miete insgesamt nicht um mehr als 1,00 €/qm erhöhen. Die Erhöhung (inkl. durchgeführten Maßnahmen) ist der Investitionsbank Berlin schriftlich oder elektronisch anzuzeigen. Erfolgte die Modernisierungsmaßnahme in der Zeit vom 18.06.2019 bis 22.02.2020 ist dies der Investitionsbank spätestens bis zum 22.05.2020 anzuzeigen, da nur dann eine darauf gestützte Mieterhöhung zulässig ist.

5. Wie werden Härtefälle (§ 8 MietenWoG) behandelt?

Härtefallanträge des Vermieters auf Genehmigung höherer als die nach dem MietenWoG zulässigen Mieten gemäß § 8 MietenWoG sollten jetzt schon geprüft werden. Entsprechende Anträge und Informationen dazu gibt es bei der Investitionsbank Berlin.

Ein Härtefall des Vermieters liegt insbesondere vor (§ 8 Abs. 2 MietenWoG), wenn die Beibehaltung der Mieten gemäß MietenWoG auf Dauer

  • zu Verlusten für den Vermieter oder
  • zu einer Substanzgefährdung der maßgeblichen Wirtschaftseinheit führt

Wird eine höhere Miete genehmigt hat der Mieter unter bestimmten Umständen Anspruch auf einen Mietzuschuss (§ 9 MietenWoG). Auch dieser muss bei der Investitionsbank vom Mieter beantragt werden und ist begrenzt auf den die Mietobergrenze überschreitenden Betrag.

6. Kann der Vermieter noch eine Mieterhöhung von einem Mieter verlangen?

Die Frage, ob der Vermieter noch eine Mieterhöhung von einem Mieter verlangen kann, lässt sich noch nicht abschließend beurteilen. In vielen Teilen der juristischen Literatur wird die Ansicht vertreten, dass wegen des MietenWoG auch eine Zustimmung zu einer Mieterhöhung, die über die Grenzen des MietenWoG hinausgeht, nicht gefordert werden kann. Das Amtsgericht Charlottenburg (Urteil vom 4. März 2020 – 213 C 136/19) hat das anders gesehen und vertritt die Auffassung, dass jedenfalls ein Anspruch auf Zustimmung zu einem Mieterhöhungsverlangen, der vor dem Inkrafttreten des MietenWoG geltend gemacht wurde, weiterhin mit der Klage verfolgt werden kann.

Die Höhe der Miete, die tatsächlich gezahlt werden soll, bestimme sich dann aber gegebenenfalls dennoch nach dem MietenWoG. Das Landgericht Berlin (Beschluss vom 12. März 2020 – 67 S 274/19) sieht die Sache wiederum eher so wie die Literatur: Der § 3 MietenWoG angeordnete „Mietenstopp“ würde zur Abweisung der vom Vermieter erhobenen Zustimmungsklage oder sonstiger auf die Erhöhung der Miete gerichteten Klagen führen, sofern nicht der Vermieter bis zum 18. Juni 2019 eine einheitliche vertragliche Vereinbarung in Höhe der nach dem Inkrafttreten des MietenWoG geforderten Miete mit dem Mieter getroffen oder der Mieter bis zum 18. Juni 2019 einem Erhöhungsverlangen des Vermieters freiwillig zugestimmt oder ein bis zum 18. Juni 2019 rechtskräftig gewordenes Urteil die Zustimmung des Mieters ersetzt hat.

Das Landgericht hat jedoch Zweifel daran, ob das MietenWoG mit dem Grundgesetz und dem BGB vereinbar ist und das Gesetz deshalb zur Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.

7. Was passiert, wenn der Vermieter gegen das MietenWoG verstößt?

In § 11 MietenWoG finden sich die Ordnungswidrigkeitentatbestände für bestimmte Verstöße gegen das MietenWoG und können mit Bußgeldern bis 500.000 Euro je Verstoß geahndet werden.