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Was sollten Vermieter über den sogenannten „Mietendeckel“ in Berlin wissen?
20. April 2020
Das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen („Mietendeckel“) ist durch das Bundesverfassungsgericht am 25. März 2021 für verfassungswidrig erklärt worden:
Zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Begrenzung der Mietenhöhe hat das Land Berlin das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG) – auch „Mietendeckel“ genannt – erlassen.
Die Regelungen stellen Vermieter vor eine Vielzahl von Fragen und Herausforderungen im Umgang mit bestehenden Mietverträgen, aber auch bei bei der Neuvermietung. Dieser Beitrag soll einen ersten Überblick über die häufigsten Fragen geben:
1.
Gilt der Mietendeckel für alle Wohnungen?
Grundsätzlich
gilt der Mietendeckel für alle Wohnungen. Das Gesetz sieht das aber
nicht ausnahmslos vor. Zu den wichtigsten Ausnahmen zählen:
Wohnungen
des öffentlich geförderten Wohnungsbaus (Sozialwohnungen),
mit
Mitteln aus öffentlichen Haushalten zur Modernisierung und
Instandsetzung geförderte Wohnungen mit Mietpreisbindung,
und
Neubauwohnungen,
die seit dem 01.01.2014 erstmals bezugsfertig wurden oder die aus
ehemals dauerhaft unbewohnbaren und unbewohnten Wohnraum, mit einem
dem Neubau entsprechenden Aufwand, für Wohnzwecke wiederhergestellt
wurden.
2.
Welche Zeitpunkte sind im Rahmen des Mietendeckels zu beachten und
was gilt zu welchem Zeitpunkt?
a)
Erste Phase vom Stichtag 18.06.2019 bis zum 22.11.2020 (Inkrafttreten
von § 5 MietenWoG)
aa)
Stichtag 18.06.2019 bis zum 23.02.2020
(1)
Bestandsmietverträge
Wohnt
ein Mieter am Stichtag 18.06.2019 in einer Wohnung und wohnt er
am 23.02.2020 (Tag des Inkrafttretens des Gesetzes) immer noch in
dieser Wohnung, wird die Miete auf dem Stand des 18.06.2019
„eingefroren“.
(2)
Neuvermietung zwischen dem 18.06.2019 und dem 23.02.2020
Wenn
zwischen dem 18.06.2019 und dem 23.02.2020 ein Wechsel des Mieters
stattgefunden hat, wird die in dieser Zeit vereinbarte Miete
„eingefroren“.
In
beiden Fällen ist durch das Gesetz verboten, eine höhere Miete zu
verlangen. Diese Regeln gelten auch für Staffel- oder Indexmieten,
so dass auch hier die Miete auf dem Stand des 18.06.2019
„eingefroren“ wird.
bb)
Nach dem 23.02.2020 neu abgeschlossene Mietverträge
Vor
Abschluss eines neuen Mietvertrages hat der Vermieter dem Mieter
unaufgefordert die zum Stichtag vereinbarte/geschuldete Miete
schriftlich oder elektronisch mitzuteilen Auskunft über die zur
Berechnung der Mietobergrenze maßgeblichen Umstände zu erteilen. Es
gelten ab sofort die Mietobergrenzen der §§ 6 und 7 MietenWoG
(diese werden ggf. alle zwei Jahre von der für Wohnungswesen
zuständigen Senatsverwaltung fortgeschrieben) und zusätzlich
weiterhin die Stichtagsmiete – der niedrigere der beiden Werte soll
maßgeblich für die zulässige Neuvermietungsmiete sein.
cc)
Was bedeutet das für den Vermieter?
Ab
dem 23.02.2020 (Inkrafttreten des Gesetzes) dürfen von Vermietern
keine höheren als die zum Stichtag (18.06.2019) wirksam vereinbarten
Mieten von den Mietern gefordert oder entgegengenommen (Art. 1 § 11
Nr. 4 MietenWoG) werden, da ansonsten empfindliche Bußgelder drohen.
Bei einem bestehenden Lastschrifteinzug muss der Vermieter von sich
aus tätig werden und darf keine höhere als die am 18.06.2019
vereinbarte Miete (zzgl. ggf. Modernisierungszuschlag von max. 1,00 €
näheres dazu später) mehr einziehen; auch bei Überweisungen von
Mietern sollte auf die korrekte Höhe geachtet werden, da auch in
diesem Fall eine höhere als die zulässige Miete nicht verlangt und
entgegengenommen werden darf.
Hat
der Mieter nach dem 23.02.2020 von sich aus eine höhere als die am
18.06.2019 vereinbarte Miete gezahlt (z.B. aufgrund von
vorhergehenden einvernehmlichen Mieterhöhungen gemäß §§ 557, 558
BGB), ist er vermutlich berechtigt, diese zurückzufordern.
Ob
für den Zeitraum vom 18.06.2019 bis 23.02.2020 überhöhte Mieten
vom Mieter zurückgefordert werden können ist noch nicht
abschließend geklärt.
Reguläre
Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete sind für die
Dauer der Geltung des Gesetzes bis zum 31.12.2021 nicht mehr möglich
– dies gilt auch für Staffelmieten und Indexmieten.
Der
Vermieter hat sämtlichen Mietern (mindestens denen, die unter a)
fallen), unaufgefordert bis zum 23.04.2020 Auskunft über die zur
Berechnung der Mietobergrenze maßgeblichen Umstände (Baujahr,
Sammelheizung und/oder Bad, Wohnung in einem Gebäude mit nicht mehr
als zwei Wohnungen, moderne Ausstattung i.S. des § 6 Absatz 3
MietenWoG, Modernisierungsmaßnahme i.S.d. § 7 MietenWoG nach dem
18.06.2019) zu erteilen, § 6 Absatz 4 MietenWoG. Nach der
derzeitigen Einschätzung und dem Wortlaut des Gesetzes muss ein
bestimmter Betrag in dieser Auskunft nicht benannt werden.
b)
Zweite Phase ab dem 22.11.2020 (Inkrafttreten von § 5 MietenWoG)
Ab
diesem Zeitpunkt (neun Monate nach der Verkündung des Gesetzes) sind
überhöhte Mieten auch bei Bestandsmietverhältnissen verboten. Auf
die „Stichtagsmiete“ kommt es dann auch nicht mehr an.
Eine
überhöhte Miete in diesem Sinn liegt vor, wenn die unter
Berücksichtigung der Wohnlage ermittelte Mietobergrenze gemäß §§
6 und 7 MietenWoG um mehr als 20 % überschritten wird und nicht nach
§ 8 MietenWoG genehmigt ist (für Details siehe unten).
3.
Wie hoch sind aktuell die Mietobergrenzen?
Eine
Miete ist überhöht, wenn sie unter Berücksichtigung der Wohnlage
mehr als 20 % über der maßgeblichen Mietobergrenze in der
Mietentabelle liegt. Eine höhere Miete als diese ist verboten.
Nummer
Erstmalige
Bezugsfertigkeit derWohnung
und Ausstattung
Mietpreis
proQuadratmeter
1.
bis
1918 mit Sammelheizung und mit Bad
6,45
Euro
2.
bis
1918 mit Sammelheizung oder mit Bad
5,00
Euro
3.
bis
1918 ohne Sammelheizung und ohne Bad
3,92
Euro
4.
1919
bis 1949 mit Sammelheizung und mit Bad
6,27
Euro
5.
1919
bis 1949 mit Sammelheizung oder mit Bad
5,22
Euro
6.
1919
bis 1949 ohne Sammelheizung und ohne Bad
4,59
Euro
7.
1950
bis 1964 mit Sammelheizung und mit Bad
6,08
Euro
8.
1950
bis 1964 mit Sammelheizung oder mit Bad
5,62
Euro
9.
1965
bis 1972 mit Sammelheizung und mit Bad
5,95
Euro
10.
1973
bis 1990 mit Sammelheizung und mit Bad
6,04
Euro
11.
1991
bis 2002 mit Sammelheizung und mit Bad
8,13
Euro
12.
2003
bis 2013 mit Sammelheizung und mit Bad
9,80
Euro
Für
Wohnungen in einfacher Wohnlage ist bei der Berechnung der
Mietobergrenze ein Abschlag beim maßgeblichen Mietpreis in der
Mietentabelle von 0,28 € zu berücksichtigen, für Wohnungen
in mittlerer Wohnlage werden 0,09 € abgezogen und für
Wohnungen in guter Wohnlage ist ein Zuschlag von 0,74 € zu
berücksichtigen. Bis zu einer anderweitigen Bestimmung soll die
Wohnlagenkarte des Berliner Mietspiegels 2019 zur Berechnung der
Obergrenze heranzuziehen sein.
Die
im Gesetz vorgesehene Mietentabelle legt fest, wie hoch die
Nettokaltmiete in Abhängigkeit von Alter und Ausstattung einer
Wohnung bei einer Wiedervermietung sein darf. Die Obergrenze kann
sich bei einer Modernisierung maximal um 1 Euro/m² erhöhen. Für
die Frage, ob eine überhöhte Miete vorliegt, sind die
wohnlageabhängigen Ab- bzw. Zuschläge und ein pauschaler Aufschlag
von 20 % zu berücksichtigen.
Für
Wohnungen mit moderner Ausstattung erhöht sich der Wert um 1,00 €.
Eine moderne Ausstattung liegt vor, wenn mindestens drei der
folgenden Merkmale vorhanden sind:
schwellenlos
erreichbarer Aufzug,
Einbauküche,
hochwertige
Sanitärausstattung,
hochwertiger
Bodenbelag in der überwiegenden Zahl der Wohnräume,
Energieverbrauchskennwert
von weniger als 120 kWh/ (m² a).
Das
Gesetz gilt zudem auch für Ein- und Zweifamilienhäuser. Liegt der
Wohnraum in Gebäuden mit nicht mehr als zwei Wohnungen, erhöht sich
jedoch die Mietobergrenze um einen Zuschlag von 10 %, bevor ggf.
Zu-/oder Abschläge hinzukommen.
Ab
dem 01.01.2022 erhöhen sich die gemäß Art. 1 § 3 Absatz 1 und 2
MietenWoG festgeschriebenen Höchstwerte jährlich um den Prozentsatz
der seit dem Stichtag eingetretenen und durch das Statistische
Bundesamt zum 31.12. des Vorjahres festgestellten Inflation, max
jedoch um 1,3 % – Dies gilt jedoch nur, sofern durch die Erhöhung
die Obergrenzen nach § 6 MietenWoG nicht überschritten werden
4.
Was ist bei Modernisierungsmaßnahmen nach dem 18.06.2019 (§ 7
MietenWoG) zu beachten?
Modernisierungsbedingte
Mieterhöhungen sind während der Geltungsdauer des Gesetzes nur bei
Durchführung der folgenden Maßnahmen möglich:
Gesetzlich
vorgeschriebene Maßnahmen
Wärmedämmung
der Gebäudehülle, der Kellerdecke, der obersten Geschossdecke oder
des Daches
Maßnahmen
zur Nutzung erneuerbarer Energien
Maßnahmen
zur energetischen Fenstererneuerung
Heizanlagentausch
mit Heizanlagenoptimierung
Aufzugsanbau
Abbau
von Barrieren durch Schwellenbeseitigung, Türverbreiterung oder
Badumbau
Es
ist maximal eine Erhöhung um 1,00 €/qm möglich. Auch bei
mehrfacher Modernisierung im Geltungszeitraum des Gesetzes darf sich
die Miete insgesamt nicht um mehr als 1,00 €/qm erhöhen. Die
Erhöhung (inkl. durchgeführten Maßnahmen) ist der Investitionsbank
Berlin schriftlich oder elektronisch anzuzeigen. Erfolgte die
Modernisierungsmaßnahme in der Zeit vom 18.06.2019 bis 22.02.2020
ist dies der Investitionsbank spätestens bis zum 22.05.2020
anzuzeigen, da nur dann eine darauf gestützte Mieterhöhung zulässig
ist.
5.
Wie werden Härtefälle (§ 8 MietenWoG) behandelt?
Härtefallanträge
des Vermieters auf Genehmigung höherer als die nach dem MietenWoG
zulässigen Mieten gemäß § 8 MietenWoG sollten jetzt schon geprüft
werden. Entsprechende Anträge und Informationen dazu gibt es bei der
Investitionsbank Berlin.
Ein
Härtefall des Vermieters liegt insbesondere vor (§ 8 Abs. 2
MietenWoG), wenn die Beibehaltung der Mieten gemäß MietenWoG auf
Dauer
zu
Verlusten für den Vermieter oder
zu
einer Substanzgefährdung der maßgeblichen Wirtschaftseinheit führt
Wird
eine höhere Miete genehmigt hat der Mieter unter bestimmten
Umständen Anspruch auf einen Mietzuschuss (§ 9 MietenWoG). Auch
dieser muss bei der Investitionsbank vom Mieter beantragt werden und
ist begrenzt auf den die Mietobergrenze überschreitenden Betrag.
6.
Kann der Vermieter noch eine Mieterhöhung von einem Mieter
verlangen?
Die Frage, ob der Vermieter noch eine Mieterhöhung von einem Mieter verlangen kann, lässt sich noch nicht abschließend beurteilen. In vielen Teilen der juristischen Literatur wird die Ansicht vertreten, dass wegen des MietenWoG auch eine Zustimmung zu einer Mieterhöhung, die über die Grenzen des MietenWoG hinausgeht, nicht gefordert werden kann. Das Amtsgericht Charlottenburg (Urteil vom 4. März 2020 – 213 C 136/19) hat das anders gesehen und vertritt die Auffassung, dass jedenfalls ein Anspruch auf Zustimmung zu einem Mieterhöhungsverlangen, der vor dem Inkrafttreten des MietenWoG geltend gemacht wurde, weiterhin mit der Klage verfolgt werden kann.
Die Höhe der Miete, die tatsächlich gezahlt werden soll, bestimme sich dann aber gegebenenfalls dennoch nach dem MietenWoG. Das Landgericht Berlin (Beschluss vom 12. März 2020 – 67 S 274/19) sieht die Sache wiederum eher so wie die Literatur: Der § 3 MietenWoG angeordnete „Mietenstopp“ würde zur Abweisung der vom Vermieter erhobenen Zustimmungsklage oder sonstiger auf die Erhöhung der Miete gerichteten Klagen führen, sofern nicht der Vermieter bis zum 18. Juni 2019 eine einheitliche vertragliche Vereinbarung in Höhe der nach dem Inkrafttreten des MietenWoG geforderten Miete mit dem Mieter getroffen oder der Mieter bis zum 18. Juni 2019 einem Erhöhungsverlangen des Vermieters freiwillig zugestimmt oder ein bis zum 18. Juni 2019 rechtskräftig gewordenes Urteil die Zustimmung des Mieters ersetzt hat.
Das Landgericht hat jedoch Zweifel daran, ob das MietenWoG mit dem Grundgesetz und dem BGB vereinbar ist und das Gesetz deshalb zur Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.
7.
Was passiert, wenn der Vermieter gegen das MietenWoG verstößt?
In
§ 11 MietenWoG finden sich die Ordnungswidrigkeitentatbestände für
bestimmte Verstöße gegen das MietenWoG und können mit Bußgeldern
bis 500.000 Euro je Verstoß geahndet werden.